Stärke und Schärfe von Pfefferspray und die entsprechende Berechnungsgrundlagen

Wer auf der Suche nach einem möglichst starken, also effektiven und zuverlässigen, Pfefferspray ist, stellt sich vermutlich die Frage, nach welchen Kriterien dies beurteilt werden kann. Besonders naheliegend ist hier natürlich die Stärke oder besser gesagt die Schärfe des Pfeffersprays, da natürlich davon ausgegangen wird, dass ein möglichst hoher Schärfegrad die bestmögliche Wirkung auf einen Angreifer zeigt – und diese bestenfalls auch unmittelbar eintritt. Doch welches ist das stärkste Pfefferspray, und woran erkenne ich, wie scharf ein Pfefferspray wirklich ist?

Pfefferspray Schärfe - Oleoresin Capsicum und SHU

Angaben zum Reizstoff auf einer Pfefferspray Dose

Um die Frage nach dem stärksten Pfefferspray (gemeint ist hier natürlich der Schärfegrad der verwendeten Reizstofflösung) beantworten zu können, und dadurch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Modellen und Varianten der einzelnen Hersteller zu verdeutlichen, muss zunächst darauf eingegangen werden, in welcher Maßeinheit dieser Schärfegrad überhaupt angegeben wird, und wie die teilweise verschiedenen Herstellerangaben zum Schärfegrad zu interpretieren sind.

Unterschiedliche Angaben zum Schärfegrad

Pfefferspray ist ein äußerst effektives, leicht zu handhabendes und zudem legales Selbstverteidigungsmittel – dementsprechend groß ist die Nachfrage und damit auch das Angebot verschiedenster Hersteller. Natürlich sind diese Unternehmen daran interessiert ihre Produkte in ein möglichst gutes Licht zu rücken um damit letztendlich möglichst viele ihrer Produkte verkaufen zu können. Das zentralste Kriterium beim Kauf eines Pfeffersprays aus Kundensicht – ob berechtigt oder nicht – ist hier die Schärfe des Pfeffersprays.

Aus diesem Grund wird hier mit verschiedensten Zahlen gearbeitet – ganz nach dem Motto „umso höher und imposanter, desto besser“ – um die Stärke des jeweils verwendeten Reizstoffes hervorzuheben. Auch wenn diese Zahlen in der Regel korrekt sind, sind diese für Normalverbraucher meist nicht wirklich verständlich und führen nicht selten zu Missinterpretationen. So finden sich (wie auch auf folgender Abbildung zu sehen) auf den entsprechenden Etiketten mit den Informationen zum verwendeten Reizstoff meist folgende Angaben (oder Kombinationen daraus):

  • Oleoresin Capsicum in Prozent (z.B. 10% Oleoresin Capsicum)
  • SHU (Scoville Heat Units) zumeist in Millionen (z.B. 3 Millionen SHU)
  • MC (Major Capsacinoide) in Prozent (z.B. 1,5 % MC)

Schwere Vergleichbarkeit durch unterschiedliche Angaben

Wie in vorangegangener Abbildung gut ersichtlich wird auf dem Etikett des Piexon PSX1 Pfeffersprays (oben) der Schärfegrad ausschließlich in Major Capsacinoids (1,33%) angegeben. Im Gegensatz dazu gibt der Hersteller Fox Labs auf dem Etikett des White Lightning Pfeffersprays (unten) den OC-Anteil am gesamten Reizstoff (6%) sowie den Schärfegrad dieses Wirkstoffes (3 Millionen Scoville) an.

Auch wenn diese Angaben durchaus Sinn machen, ist dies ein klassisches Beispiel dafür, wie missverständlich unterschiedliche Angaben sein können – für den Laien ist hier vermutlich keine dieser zwei Angaben wirklich verständlich. Auch eine direkte Vergleichbarkeit der Schärfe oder Stärke dieser zwei Pfeffersprays ist nicht möglich. Was steckt nun also genau hinter diesen Angaben? Um dies aufzulösen muss folgend zunächst auf die Scoville Skala eingegangen werden.

Zentrales Kriterium für Schärfe: Scoville

Mittels der sogenannten Scoville-Skala wird der Schärfegrad von Chillis (Capsaicin) angegeben. Reines Capsaicin weist dabei einen Schärfegrad von 16 Millionen Scoville Heat Units (SHU) auf – und dies stellt auch den höchsten Wert in der Scoville Scala dar. Umso höher dieser SHU-Wert ist, desto schärfer ist auch beispielsweise der Chilli oder eben das Pfefferspray. Doch Vorsicht – ein Pfefferspray dessen Wirkstoff (OC) beispielsweise 5 Millionen Scoville aufweist, ist nicht automatisch schärfer oder stärker als ein Spray mit „nur“ 3 Millionen Scoville! Der Grund dafür ist sehr einfach nachzuvollziehen:

Die Angabe des Schärfegrades in Scoville bezieht sich bei den meisten Herstellern nicht auf den gesamten Reizstoff, sondern ausschließlich auf den in dieser Gesamtlösung enthaltenen Wirkstoff, also dem Oleoreisn Capsicum. Die zentrale Frage ist demzufolge, wie hoch der Wirkstoffanteil am gesamten Reizstoff ist. Wenn eine dieser Angaben nicht vorhanden ist (kommt ebenfalls bei einigen Herstellern vor) können keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Stärke des Pfeffersprays gezogen werden. Die tatsächliche Schärfe bzw. Stärke des gesamten Pfefferspray Reizstoffes bezeichnen wir als effektive Schärfe!

Beispiel Berechnung Pfefferspray Stärke

Wirkstoffanteil in Prozent Schärfe des Wirkstoffes in Scoville Effektive Schärfe in Scoville
Pfefferspray 1 6% Oleoresin Capsicum 3.000.000 (3 Millionen) 180.000
Pfefferspray 2 10% Oleoresin Capsicum 2.000.000 (2 Millionen) 200.000

Wie an diesem Beispiel gut zu sehen, weist hier das Pfefferspray mit dem weniger Scharfen Oleoresin Capsicum einen höheren Schärfegrad als jenes mit dem stärkeren Wirkstoff auf. Die Berechnung erfolgt dabei an Hand folgender Formel.

FORMEL: Grundwert (Schärfe des Wirkstoffes in Scoville) x Wirkstoffanteil in Prozent

Beispiel Pfefferspray 1

3.000.000 x 6% =180.000

Beispiel Pfefferspray 2

2.000.000 x 10% = 200.000

Von manchen Herstellern wird jedoch, wie bereits eingangs dargestellt, ausschließlich der sogenannte MC-Wert (Major Capsacinoids) in Prozent angegeben – und dies meist ohne weitere Erklärungen dazu. So ist beispielsweise der bekannte amerikanische Pfefferspray Hersteller Sabre dazu übergegangen, die Reizstoffstärke seiner Produkte ausschließlich in Form von MC-Werten anzugeben.

Pfefferspray Schärfe/Stärke in MC (Major Capsacinoide)

Die Major Capsacinoide drücken den Schärfegrad des Reizstoffes gemessen an jenem von reinem Capsaicin (16 Millionen Scoville) in Prozent aus. Wenn der jeweilige Prozentsatz also berechnet wird, erhält man als Ergebnis das, was wir als effektiver Schärfegrad in Scoville bezeichnen. Die Umrechnung von MC in Scoville erfolgt dabei unter Zuhilfenahme folgender Formel:

16.000.000 (reines Capsaicin) x MC%

Praxisbeispiel (MC-Angabe 1,33% beim Piexon PSX1)

16.000.000 x 1,33% = 212.800 SHU

Der effektive Schärfegrad beträgt hier demnach etwas über 200.000 Scoville!

Zu beachten ist jedoch, dass ein Rückschluss auf den Schärfegrad des genutzten OC auf Basis des MC-Prozentsatzes nicht möglich ist. Da letztlich jedoch nur die Schärfe des gesamten Reizstoffes relevant ist, ist dies streng genommen unbedeutend. Basierend auf den vorangegangenen Ausführungen kann demnach festgehalten werden, dass zur Vergleichbarkeit der Stärke bzw. Schärfe verschiedener Pfeffersprays folgende alternative Informationen verfügbar sein müssen:

  • Schärfegrad des verwendeten Wirkstoffes und dessen Anteil am Gesamten Reizstoff oder
  • MC-Anteil in Prozent

Während eine dieser Angaben bei den meisten Produkten ersichtlich ist, sind fehlen diese bei einigen wenigen vollständig oder sind nur unvollständig vorhanden. So befinden sich beispielsweise auf dem uns vorliegenden DEF-TEC MK-8 keinerlei Angaben zum Reizstoff. Beim ebenfalls vorliegenden Ballistol KO-FOG, welcher auch über die Drogeriekette Dm vertrieben wird, wird zwar ein OC-Anteil von 11% angegeben, jedoch werden keine Angaben zu dessen Schärfe gemacht. In unserem ausführlichen Pfefferspray Test findet ihr übrigens bei allen Produkten detaillierte Angaben zum Reizstoff und dessen effektivem Schärfegrad in Scoville.

Stärkstes Pfefferspray in unserem Test

Prinzipiell könnte man sich die Frage stellen, wie ausschlaggebend die unterschiedlichen Schärfegrade verschiedener Pfeffersprays überhaupt sind. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass ein Reizstoff mit einem Schärfegrad von 400.000 SHU, wie er beispielsweise in verschiedenen Pfefferspraypistolen des Herstellers Piexon zum Einsatz kommt, doppelt so scharf wie ein Reizstoff mit 200.000 Scoville Heat Units ist. Ob ein Angreifer hier jedoch einen erheblichen Unterschied spürt oder dadurch schneller oder länger außer Gefecht gesetzt werden kann, sei jedoch dahingestellt. Man beachte in diesem Zusammenhang, dass beispielsweise Tabasco nur einen Schärfegrad von etwa 2.500 Scoville hat.